Luigi Pericle
Versuch einer Deutung
Ein hinter einer Tür verschlossenes Gartenwunder; ein breit hingelagertes stilles Haus; sanfte Terassen und Blumen zwischen den Steinen; alte Bäume… aber wie lange noch? Wird es Luigi Pericle und seiner Frau noch Jahre gehören, oder Monate oder Tage? Deutet nicht schon alles darauf hin, den Besitz wieder zu verlassen, einsamer zu werden, noch einsamer? Nicht mehr diese Grösse an Raum um sich zu haben, sondern die kontemplative Enge einer Einsiedelei, einen Meditationsbereich, — an Gartenland nur das Nötigste? Es kann sein, es kann nicht sein. In Fluss ist alles.
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Die Ruhe im Haus ist vollständig. Ein sehr heller, weisser, fast kahler Empfangsraum mit einem Kamin dient zugleich der Ausstellung einiger ausgesuchter Bilder. Es sind fast immer die zuletzt gemalten, deren Wirkung sich erweisen muss. Manchmal wird ein Feuer im Kamin angezündet, man kann das Farbwunder der Flammen nicht genug betrachten, es ist ewig anders, es ist vollendet. Ist ein Gast zugegen, wird ihm auf einem kleinen Tablett eine winzige Tasse Espresso gereicht; auch der Espresso ist vollendet. Assoziationen steigen auf: das Kredenzen einer Schale Tee in Japan. Und doch ist das Ganze sehr italienisch.
Luigi Pericle ist 1916 geboren, italienischer Staatsangehöriger, der Vater italienischer, die Mutter französischer Herkunft. Wenn er vom Vater erzählt, beschwört er die hohe schlanke Gestalt eines Patriziers herauf, dessen Kopf, eine bronzene Münze, den Gedanken an materielle Armut auszuschliessen scheint. Und doch war er arm. Pericle muss den Vater sehr geliebt haben. Sein Tod riss ihn in jahrelange Trauer, aus der ihn schliesslich das Aufdämmern höherer Erkenntnis rettete.
Er selbst, der Sohn, scheint ihm an Wuchs und Noblesse ähnlich. Auch er erlebte äusserste Not, lernte Armut als Hoheschule des Menschlichen kennen und wird nicht vergessen, dass es arme Leute waren, die das letzte Stück Brot mit ihm teilten. Wahr-scheinlich stammen aus den Jahren der Not bereits malerische und zeichnerische Werke, auch Portraitstudien, deren Besitz der Nachwelt wertvoll wäre.
Es ist über sie nichts auszusagen, er vernichtete sein Frühwerk in den Mannesjahren.
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Kaum nötig zu erwähnen, dass er schon als Kind zeichnete. Von den Meistern der Frühzeit lernte er das Geheimnis der Farbmischungen, derer er sich heute noch bedient.
Er verwendet für seine Malerei keine Ölfarbe. Doch habe ich nicht den Auftrag, über seine Malkunst zu berichten; was mir obliegt, ist der Versuch, in die Atmosphäre einzudringen, in die Pericle und seine Frau Nini getaucht sind.
Man kann nicht über Pericle schreiben, ohne nicht auch «Nini» zu nennen, die fast ebenso hochgewachsen wie er, doch von viel stillerem, verhaltenen Wesen ist. Indem sie an allem teilnimmt, was ihn bewegt, ist sie sein zartgedunkeltes Nebenbild. Er, Luigi Pericle, ist von hinreissender Beweglichkeit und Geistigkeit; es ist eine strahlende Helle um ihn, die auf Nini übergreift, sodass auch sie leuchtet. Aber da ist noch die Helligkeit ihrer eigenen Güte.
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Pericle ist in Basel zur Schule gegangen. Er wird später in deutscher Sprache auch Bücher schreiben, Kurzprosa, Aphorismen. Neben viel Humor sind es Lehrmethoden zum geistigen Leben. In einer besonderen Stunde sagt er: «Ich bin ein Glückspilz. Ich habe nicht nur meine Lebensgefährtin gefunden, nicht nur ein Haus, nicht nur Freunde und meinen grossen Mäzen, sondern auch den Lehrer, den Meister, den ich für meinen inneren Weg über alle Religionsgemeinschaften hinweg gesucht habe. Er hat mich “das göttliche Licht” erkennen lassen, das über den Glaubensrichtungen ist».
Im gleichen Augenblick mit der Erkenntnis war Pericles Standort in der Kunst gesichert.
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Seine Arbeitsweise dehnt sich über viele Tagesstunden bis zur Erschöpfung aus, sie droht ihn auszuzehren, er muss mit seiner Kraft haushalten. Es ist zu fragen, was ihn in dem erregenden Augenblick bewegt, in dem er vor der noch leeren Leinwand zum ersten Pinselstrich ansetzt. Das Sujet, das er malen wird, ist ihm noch nicht bekannt. Er teilt dies Nichtwissen mit anderen Malern von Rang.
Eigen ist indessen sein rasches Suchen nach dem verborgenen Auftrag, nur zu erklären aus jener nun ganz bewussten Bindung an den Ewigkeitsgedanken, an das “göttliche Licht”, als dessen Mittler und Vermittler er sich empfinden muss. Er gerät in einen Zustand begeisterten Horchens, Hinhorchens und Gehorchens. Schlägt man im alten Buch der Propheten nach, so liesse sich eine Analogie finden: Nichtwissen, Anruf, Hören, Gehorchen. Einmal nennt er sich selbst einen “Altgeborenen” und belegt diese Überzeugung mit handfesten Beispielen. Also erkennt er sich als einen “Wiedergeborenen” nach mehrfachem zeitlichem Tod, wie auch Goethe an “tausend Wiedergeburten” glaubte, ja, sie für die fortschreitende Reifung und Klärung des Geistes für unerlässlich hielt.
Überlässt sich der Maler somit höherer Führung? Verspürt er den Auftrag bis zur entzückten Hingabe an das Bild, das er nun Strich um Strich festhält, bis aus vielen hauchfein übereinandergelagerten Farbschichten endlich die Form kenntlich wird?
Selbstverständlich entzündet sich bei der Arbeit seine Könnerschaft. Jetzt tritt neben den Propheten der Künstler auf den Plan, der um das vollendet Handwerkliche weiss. Danach ist ein Vieldeutiges entstanden, das er selbst erst ergründen muss, zum Beispiel das mit alten Eisenspangen geklammerte Holz, dessen Jahre sichtbar in die Vergangenheit reichen; oder eine in goldorangenen Tönen aufleuchtende Geometrie, die vielleicht einen Dom aus Licht darstellt, ein himmlisches Jerusalem; oder uralte Quadersteine, wer weiss aus welchem Tempelbau; oder ein aus düsterem Grund aufschimmerndes Kreuz, dem Heiligen Juan de la Cruz geweiht. Der Beispiele liessen sich viele nennen. Allein Pericles Grafiken zählen nach Tausenden.
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Um die kühn aufs Blatt geworfene Grafik begreiflich zu machen, erinnere man sich an die gewaltig-selige Experimentierlust J.S. Bachs, der aus der einmal erkannten nie-endenden Möglichkeit eines Tones immer neue Klanggebäude ableitete, nicht intellektuell komponierte, sondern “reine” Musik. Pericle erlebt eine ähnliche Freude an der gleichfalls nie-endenden Fortführungsmöglichkeit einer Linie. Grüblerische Hingabe am Spiel mit Möglichkeiten, genial gesteigert.
Was seine Gemälde betrifft, so baut Pericle sie in deutlich aufeinander abgestimmten “Familien” oder Ringen auf. Aus dem einmal erkannten Thema ertastet er solange alle Abwandlungen, bis es nach Meinung dieses Malers ausgeschöpft ist. Danach wird er nie mehr zur selben “Familie” zurückkehren. «Auf Bestellung» wird und kann er nicht malen; er kennt nicht die Kopie. Er kennt die Schöpfung.
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Zwischen 1959 und 1964 entdecken Kunstkenner Pericles Arbeiten. Ein Sammler von internationalem Rang ermöglicht ihm durch Ankauf vieler Bilder ein Arbeiten auf breiterer Basis. Der Gründer des York Festivals, Hans Hess, macht das Werk in England bekannt. Pericle erlebt in seinem sechsundvierzigsten Jahr die erste Ausstellung seiner Arbeit in einer der grössten Galerien Londons. Die Ausstellung wird zu einem durchschlagenden Erfolg: alle ausgestellten Bilder werden verkauft. Einer der grössten englischen Kunstförderer, Sir Herbert Read, entbrennt für Pericles Oeuvre und erklärt, sich voll dafür einsetzen zu wollen. Er stirbt, ehe er Pericle zum weltweiten Durchbruch verhelfen kann.
Da ist es wieder Hans Hess, der das ARTS COUNCIL der Britischen Regierung veranlasst, 55 Gemälde des Künstlers durch die Museen von sieben englischen Städten zu schicken. Auch diese Bilderreise wird zum vollen Erfolg. Da — anstatt den Triumph auszukosten und auszuweiten, — zieht Pericle sich in sein Refugium nach Ascona am Lago Maggiore zurück, in das Haus, das er noch heute bewohnt, in eine Landschaft voll herber Lieblichkeit.
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Er ist der Stille der totalen Abschliessung bedürftig, um den Erfolg, der sich so strahlend bot, in bescheidene Einkehr umzuarbeiten. Er lernt, das Glück des Ruhms in Heiterkeit zu verwandeln. Er arbeitet, verschenkt sich ganz an den inneren Aufruf. Es entsteht weiter Bild auf Bild. Die Kunst beschenkt ihn mit der Glückseligkeit des Entdeckens, der Schöpferfreude, der Bewusstseinserweiterung und der Berührung mit dem Herkunftsort aller Schöpfungen, den er “das göttliche Licht” nennt. Nach seiner eigentlichen Heimat befragt, antwortet er ohne zu zögern: «Die Ewigkeit ist meine Heimat».
Trächtig von weither gebrachtem Wissen, streift er gleich der honigtragenden Biene die Süsse seiner Last auf seine Leinwand ab, Kunstwerk auf Kunstwerk häufend, immer voll neuer Schaffensglut. An den Wänden des Ausstellungsraums leuchtet es von symbolträchtigen Bildern. Wie soll man seine Kunst bezeichnen? Einige Betrachter meinen, es handle sich um abstrakte Kunst. Doch wohl nicht; denn was er malt, ist trotz der verschlüsselten Form erkennbar, verstehbar, dringt ins Bewusstsein, tröstet, wärmt. Vielleicht ist spürbar, was dieser Maler der Vergeistigung der Materie malt: Liebe.
J.M. (Jo Mihaly)
14 – Tagebücher des Ersten Weltkriegs
14 – Tagebücher des Ersten Weltkriegs ist der deutsche Titel einer internationalen dokumentarischen Dramaserie, die sich mit fiktionalen, dokumentarischen und animierten Elementen dem Thema des Ersten Weltkriegs widmet. Entwickelt wurde das Konzept, eine historische Dokumentation formal, stilistisch und dramaturgisch wie eine moderne Dramaserie zu erzählen, von Jan Peter, der auch bei allen acht Episoden Regie führte. Serienautoren waren Jan Peter und Yury Winterberg.[2] Als Dramaturgen arbeiteten der niederländische Produzent und Drehbuchautor Maarten van der Duin und der BBC-Autor Andrew Bampfield an der Entwicklung mit. Die Entwicklung der Serie beruht auf einer Idee von Gunnar Dedio, dem Produzenten von LOOKSfilm, und Ulrike Dotzer, der Abteilungsleiterin ARTE beim Norddeutschen Rundfunk.
Hauptpersonen :
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Elfriede Alice Kuhr (Jo Mihaly)
Elfriede Kuhr (sitzend) 1915 mit (v. l. n. r.) ihrer Mutter, ihrem Bruder und ihrer Großmutter
Elfriede Alice Kuhr (genannt Piete) wurde am 25. April 1902 in Schneidemühl geboren, etwa 100 Kilometer von der Grenze zum damaligen Russland entfernt. Zu Beginn des Krieges feierte das 12-Jährige Mädchen, das bei seiner Großmutter lebte, noch die deutschen Siege, doch dann erlebte Elfriede, wie der Krieg immer mehr Leid und Elend brachte. 1981 sagte sie: „Das mag überhaupt einen großen Teil meiner eigenen Zeit als Tippelschickse ausmachen, nämlich wirklich ein grenzenloses, ja ein brüderlich-schwesterliches Verhältnis zu denen, die so entsetzlich ohne einen Halt waren. Ich fühlte mich zu ihnen hingezogen und das, ich schwöre dir, das ist heute noch genau dasselbe!“ Später nahm sie den Künstlernamen Jo Mihaly an und wurde Tänzerin und Schriftstellerin. 1982 veröffentlichte sie ihre Kriegserinnerungen. Sie starb am 29. März 1989 im Alter von 86 Jahren.[7]
Jo Mihaly :
Jo Mihaly (eigentlich: Elfriede Steckel, Geburtsname: Elfriede Alice Kuhr; * 25. April 1902 in Schneidemühl; † 29. März 1989 in Seeshaupt, Bayern) war eine Tänzerin, Schauspielerin, Dichterin und Autorin.
Leben
Sie wurde 1902 als Elfriede Alice Kuhr geboren. Nach ihrer Hochzeit lautete ihr Name Elfriede Steckel. Sie absolvierte eine Ausbildung im klassischen Tanz und wurde Mitglied des Haas-Heye-Balletts Berlin.
Von 1923 bis 1925 machte sie Tourneen in Deutschland, Auftritte auch in Varietés und im Zirkus. In der Spielzeit 1925/26 war sie als moderne Tänzerin am Dreistädtetheater Beuthen–Gleiwitz–Hindenburg engagiert. An der Berliner Volksbühne lernte sie den Schauspieler und Regisseur Leonard Steckel kennen, den sie 1927 heiratete. Mit ihm zusammen wohnte sie zeitweilig in der Bonner Str. 12 der Berliner Künstlerkolonie. 1928–33 trat sie als Solotänzerin mit eigenen, sozialkritischen Programmen auf, u. a. „Die Verfolgung der Juden“ und „Vision des Krieges“.
JO MIHALY (Elfriede Alice Kuhr)
Eine von Ihnen
Das mag überhaupt einen großen Teil meiner eigenen Zeit als Tippelschickse ausmachen, nämlich wirklich ein grenzenloses, ja ein brüderlich-schwesterliches Verhältnis zu denen, die so entsetzlich ohne einen Halt waren. Ich fühlte mich zu ihnen hingezogen und das, ich schwöre dir, das ist heute noch genau dasselbe!
Jo Mihaly, Michael Arpad und sein Kind, 1981
Jo Mihaly (1902-1989)
dalla Polonia
Ballerina e scrittrice di origini polacche, Jo Mihaly nacque nel 1902. Studiò danza classica a Berlino e nella prima metà degli anni Venti intraprese le prime tournée in Germania, quando conobbre il regista e attore Leonard Steckel che sposò nel 1927, anno in cui iniziò a scrivere poesie. Nel 1933, in concomitanza con l’ascesa al potere di Adolf Hitler, la coppia fuggì a Zurigo dove visse sino al 1949; successivamente Mihaly si trasferì ad Ascona dove abitò per quarant’anni e animò la scena culturale del Ticino intero con romanzi, poesie, racconti e storie dedicate ai ragazzi. Morì nel Comune locarnese all’età di 87 anni, nel 1989.
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